«Auch in guten Phasen Hilfe annehmen und immer dranbleiben, so speicherst du Kraft und Mut für schwierige Zeiten.»
Betroffener, *1971
Wohnhaft im Kanton Bern
Mini Gschicht, üses Herz!
Im Jahr 2011, ich war knapp 40 Jahre alt, fiel bei einer Routineuntersuchung zufällig ein sehr tiefer Puls auf. Weitere Untersuchungen zeigten einen AV-Block (Störung der Erregungsleitung), mir wurde ein Herzschrittmacher implantiert. Mein Kardiologe ging davon aus, dass nun alles in Ordnung sei. So arbeitete ich ohne Bedenken weiter als Maurer mit absolvierter Polierausbildung und renovierte zusätzlich unser Haus. Doch schon wenige Jahre später bekam ich Vorhofflimmern und -flattern, welche mit Katheterablationen behandelt wurden. Leider zeigten sich bald erste Symptome einer Herzinsuffizienz. Ich durfte nicht mehr arbeiten, immer umfangreichere Untersuchungen wurden durchgeführt. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass meine Erkrankung durch eine pathogene Mutation im Lamin-Gen verursacht wird und dass mit einer massiven Verschlechterung gerechnet werden musste. Gefährliche Rhythmusstörungen waren zu befürchten, weshalb mir 2016 ein Defibrillator implantiert wurde. Zu den gesundheitlichen Problemen kamen grosse Existenzängste, da die Krankentaggeldversicherung aufgrund eines IV-Berichtes frühzeitig kündigte, sich die IV aber auch nicht verantwortlich fühlte. Meine Familie musste mit einem kleinen Einkommen auskommen, bis mir, auch dank unseres Anwalts, endlich eine volle IV-Rente zugesprochen wurde. Die schnell fortschreitende Krankheit und die jahrelangen, zermürbenden Abklärungen waren eine extreme Belastung.
2018 rettete mir eine Schockabgabe des Defibrillators das erste Mal das Leben, dieses Ereignis war sehr einschneidend. In einem dreimonatigen Reha-Aufenthalt erholte ich mich und stärkte Körper und Psyche. Es war nun klar, dass ich mittelfristig nur mit einem Spenderherzen würde weiterleben können.
Mein Herz wurde immer schwächer, Rhythmusstörungen führten zu weiteren Schockabgaben und vielen Aufenthalten im Spital. Ende 2019 kam ich auf die Warteliste für ein Spenderherz und wurde bereits im Frühjahr 2020 erfolgreich transplantiert. Dankbar durfte ich mit unserem neuen, gesunden Herzen wieder anfangen zu leben.
Psychisch war der ganze Prozess jedoch eine riesige Herausforderung. Erst jetzt begann ich zu realisieren, wie nah ich dem Tod gewesen war. Wegen der Pandemie konnte ich leider kaum von dringend notwendigen Physiotherapien profitieren und musste auch sonst immer wieder Rückschläge einstecken. So dauerte die körperliche und psychische Genesung lange, und es brauchte viel Zeit und Geduld sowie einen weiteren Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Hier lernte ich, psychische Tiefs selber zu bewältigen, was mir heute sehr gut gelingt. Besonders wichtig ist es, Hilfe annehmen zu können und Vertrauen in das gesamte Behandlungsteam aufzubauen. Dank verschiedenen körperlichen Aktivitäten, die mir Spass machen, und auch dank stabilisierender psychologischer Unterstützung bleiben unser Herz und meine Seele im Gleichgewicht. Mein Leitspruch, der mir immer wieder geholfen hat, die Krankheit zu akzeptieren und weiterzugehen, und den ich hier gerne teile: «Auch in guten Phasen Hilfe annehmen und immer dranbleiben, so speicherst du Kraft und Mut für schwierige Zeiten.»
Mein Herzensdank gilt all den vielen tollen Menschen, die mich auf diesem steinigen Weg begleitet haben und zum Teil noch heute an meiner Seite stehen – allen voran meiner lieben Ehefrau und unserer wundervollen Tochter.